Vanessa Oberin
Fellow Feeling. Medienästhetiken der Einfühlung und Affektpolitiken der Empathie
Empathie gilt gemeinhin als Fähigkeit, die Gefühle anderer zu lesen und sich in das Erleben anderer hineinversetzen, das heißt einfühlen, zu können. Erfuhr diese affektive Wissensform lange Zeit eine exklusive Zuordnung zum Empfindungsvermögen humaner Subjekte, drehen sich Kunst- und Mediendiskurse zuletzt vermehrt um Empathie-Maschinen sowie empathische Maschinen. Damit sind einerseits Medienästhetiken bezeichnet, die ein körperliches Einfühlen in andere, zuweilen mehr-als-menschliche Wahrnehmungsweisen ermöglichen sollen; und andererseits jene emotionssensitiven Apparaturen und Programme, die sich als verstehendes Gegenüber ihrer menschlichen Nutzer*innen positionieren. Allerdings haben nicht erst die aktuellen Entwicklungen im Feld von Immersionsmedien und Affekttechnologien Empathie in die Nähe medialer Operationen gerückt. So wurde die Fähigkeit zur Empathie in der kognitionswissenschaftlichen Forschung des 19. und 20. Jahrhunderts bereits zur wissenschaftlichen Untersuchungskategorie erhoben und spätestens mit der „Entdeckung der Spiegelneuronen“ in den 1990er Jahren endgültig in den Bereich technologischer Adressierbarkeit und Quantifizierungslogik überführt. Empathie als „affective technology for knowing the other“ (Carolyn Pedwell) erfährt somit in der westlichen Wissenschaftsgeschichte eine zunehmende Assoziation mit den medialen Funktionen des Verbindens, Synchronisierens und Übertragens, die im Umkehrschluss Momente der Trennung, des out of sync und Nichtverstehens als Problem erscheinen lassen. Das Dissertationsprojekt beabsichtigt, diese techno-logische Fassung des Einfühlens hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die „cultural politics“ (Sara Ahmed) der Empathie zu untersuchen. Denn sowohl in ihrer differenzüberwindenden als auch ihrer differenzherstellenden Funktion erweisen sich hiesige Einfühlungsakte als zutiefst problematisch – darauf verweisen insbesondere post- und dekoloniale Schriften, die sich für eine andere Verhältnisbestimmung von Empathie und Alterität aussprechen. Zentral für die Dissertation ist folglich die Frage, worin die Geschichte und Kontinuität jener Empathiekonzeption besteht, die ein reibungsloses Übergleiten in „fremdes Erleben“ (Edith Stein) komplexeren und widerständigeren Aushandlungsprozessen von Relationalität vorzieht, und welche die Empathie so anschlussfähig für spätkapitalistische Affektpolitiken und -ökonomien gemacht haben.