Im Zentrum des Forschungsprojekts stehen Fragen nach dem Zusammenhang zwischen Medien und Entscheidungen. Aus medienwissenschaftlicher Perspektive eröffnet die Problematisierung des Entscheidens ein spannendes Feld: Bedingung der Möglichkeit des Entscheidens sind Unterscheidungen, die nicht nur die Semiotik als grundlegendes Element der Bedeutungserzeugung betrachtet. Unterscheidungen wiederum basieren auf Grenzziehungen, die immer insofern paradox sind, als dass sie nicht nur trennen, sondern zugleich verbinden und somit auf eine Schwelle verweisen, die den Bezug zu etwas Mittlerem, einem Medium, herstellt. Zentral ist schließlich das Entscheiden selbst, als der Vollzug einer Handlung, die häufig mit Hilfe medialer Verfahren vorbereitet, unterstützt oder sogar originär hervorgebracht wird.
Der Schwerpunkt meines Projekts liegt auf einer Analyse zeitgenössischer Diskursivierungen des Entscheidens, Unterscheidens und der Grenzziehung. Drei analytische Fokussierungen bilden den Zugang zur Kernfrage des Projekts nach dem Zusammenhang zwischen Medien und Entscheidungen:
- Unter Medien der Entscheidung werden solche medialen Formationen gefasst, die konkret an der Hervorbringung von Entscheidungssituationen und der Prozessierung von Entscheidungen beteiligt sind. Ein Beispiel für solche Medien der Entscheidung stellen Empfehlungssysteme dar, die auf Basis von Algorithmen eine Hilfestellung im Umgang mit dem (Über-)Angebot des Massenkonsums versprechen.
- In einem zweiten Schwerpunkt werden populärkulturelle Repräsentationen des Entscheidens in den Blick gerückt. Im Vordergrund steht hier eine Diagnose der Vorführung und des Durchspielens von Entscheidungssituationen in Hollywood-Spielfilmen, Serienformaten und Computerspielen. Die Fragestellungen, vor denen diese populärkulturellen Repräsentationen betrachtet werden, lauten: Welche Entscheidungssituationen werden als kritisch repräsentiert und betrachtet? Welche Logiken liegen den je getroffenen Wegen zur Entscheidungsfindung zugrunde? Welchen dramaturgischen Prämissen folgt die Vorführung exemplarischer Entscheidungssituationen und wer hat sowohl in der Entstehung, als auch in der Lösung der spezifischen Entscheidungsfragen die Kontrolle und trägt Verantwortung?
- Der dritte Fokus wendet sich faktualen, mediengestützten Grenzziehungen zu. Unter dieser Perspektive zu behandelnde Fragestellungen lauten: Welche Unterscheidungen operationalisieren und prozessieren Überwachungsdispositive? Welche Medien haben Teil an der Sicherung europäischer Außengrenzen? Aber auch: Wie werden Grenzen in dokumentarischen Formaten und Nachrichtensendungen repräsentiert? Wie werden in diesem Zusammenhang auch symbolische Grenzziehungen – bspw. bzgl. der Grenzüberschreitung von Satire und Karikatur – verhandelt?
Vor dem Hintergrund dieser heterogenen Analyseschwerpunkte erhalten weitere, medio-politische Fragestellungen ihre Kontur: Welche diskursiven Problematisierungen gehen den spezifischen Entscheidungssituationen voran? Welche Anforderungen werden an die jeweiligen Entscheidungssubjekte oder -kollektive gestellt? Welche Rückschlüsse lassen die je aufscheinenden Konzeptualisierungen medialer Formationen auf die zugrunde liegenden Modellierungen des Medienbegriffs zu?